Mittwoch, 22. September 2010

Tics, Tourette und (Selbst-) Hypnose

Berühmter Hypnose-Schüler:
Georges Gilles de la Tourette
Foto: Wikipedia
Tics, Zwangsstörungen, Tourette-Syndrom - das klingt wie eine aufstrebende Linie, und es gehört zusammen. Menschen mit Tourette-Syndrom leiden unter zahlreichen Tics, die häufig in der Kindheit beginnen und mit der Pubertät stärker werden. Manchmal lassen sie im Erwachsenenalter nach. Gesichtsgrimassen, Imitation, Nachsprechen, Schreien (von aggressiven oder obszönen Ausdrücken) und vieles mehr sind Erscheinungsweisen des Syndroms, das übrigens von einem Schüler Charcots erstmals beschrieben wurde, Gilles de la Tourette (1857 - 1904). Martin Charcot war ein berühmter Neurologe seiner Zeit und behandelte viele seiner Patienten mit Hypnose.

Nun ist uns die zweite fundierte Studie zur Kenntnis gelangt, die belegt, was im Praxisalltag nachvollziebar ist: Hypnose ist eine erfolgreiche Strategie bei Tourette-Syndrom, die Tic-Aktivität lässt bei 79 Prozent der behandelten Patienten deutlich nach. Der Kontrollzeitraum betrug in der Studie von Lazarus und Klein (2010) zweieinhalb Monate. Wie gingen die Hypnoseforscher vor?


Behandelt wurden 33 Kinder: 27 Jungen (11,5 Jahr Durchschnittsalter) und 6 Mädchen (9,1 Jahre Durchschnittsalter). Innerhalb von Sitzungen mit einer Gesamtdauer von drei Stunden erlernten sie die Selbsthypnose und sollten diese drei Mal täglich anwenden. Dabei lernten sie verschiedene Visualisierungstechniken, zum Beispiel die Transfertechnik. Die besteht darin, etwas Unerwünschtes (hier: Der Tic-Impuls) dorthin zu schicken, wo er nicht weiter auffällt (hier: in den großen Zeh).

Kohen und Botts kamen 1987 zu ähnlichen Ergebnissen. Da es sich beim Tourette-Syndrom um eine schwere, schwer beeinträchtigende Erkrankung handelt, wünschen sich aufgrund der neuen Studie viele Forscher weitere Grundlagen - mit dem Ziel, eine Standardisierung der Vorgehensweise zu erhalten (so Bongartz 2010 in seiner Anmerkung zur aktuellen Studie).

Hier sehen wir die Gefahr, dass Hypnosetherapie nicht mehr greift. Allein der Begriff Tourette-Syndrom suggeriert - ähnlich wie andere Nominalisierungen beobachtbarer Verhaltensweisen - eine Unterschiedslosigkeit im Symptom, der mit einer unterschiedslosen (Standard-)Therapie begegnet werden kann.

Fest steht für uns, dass auch innerhalb eines diagnostizierten Syndroms (Tourette, ADS, ADHS usw.) so viel Individuelles mitspielt, dass eine "Standardtherapie" allenfalls ein hilfreicher Ansatz für eine erste Herangehensweise sein kann, die dann aber stark auf den jeweiligen Klienten abstellt. Nur so ist zu erklären, warum die "Erfolgsquoten" in Studien erfahrungsgemäß immer niedriger sind als in der tatsächlichen Hypnosepraxis, wo Individuum (Klient) einem anderen Individuum (Therapeut) gegenüber sitzt - und wo dann eine nicht standardisierte Hypnotherapie stattfindet.

Mehr dazu: » Infoseiten des IHvV » Hypnoseportal » Hypnose-CD's

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