Leonardo – Wissenschaft und mehr
Sendedatum: 12. Juni 2007
Serie Alternativmedizin: Feldenkrais
von Regine Hauch
Sprecherin: Ein großer heller Raum, weiße Wände, auf dem Boden Decken und darauf liegend ein halbes Dutzend Frauen und ein Mann. Vor ihnen, auf einem Hocker sitzend - der Lehrer. Peter Schulz leitet das älteste Feldenkrais-Institut in Düsseldorf – und den heutigen Kurs.
O-Ton Schulz:
„Bitte mache eine dir bekannte Blaupause, schau, wie dein Kontakt zum Boden ist, stell dir vor dabei dieses Blaupapier zwischen Körper und Boden. Und versuche dir vorzustellen, wie dieser Abdruck, den dieses Blaupapier, wenn es zum Boden abfärbt, nach dieser aktuellen Situation aussähe."
Sprecherin: Entspannt liegen und sich dabei spüren: So beginnt jeder Feldenkrais-Kurs und innerhalb des Kurses jeder neue Übungsabschnitt. Worum es bei dieser seltsamen Übung und bei allen weiteren geht? Auf keinen Fall um Krankengymnastik. Die Feldenkrais-Methode hat ein anderes Ziel, sagt Peter Schulz:
O-Ton Schulz:
„Über Bewegung sich seines Selbstgebrauches bewusster zu werden und sich in der Regel bessere, weil leichtere Alternativen zu erschließen."
Sprecherin: Die Feldenkrais-Methode wurde von dem aus Weißrussland stammenden Physiker, Neurophysiologen und Judotrainer Moshe Feldenkrais entwickelte. Anfang der 80er Jahre brachte er sie nach Deutschland. Die Feldenkrais-Methode geht davon aus, dass zwischen Bewegung und Wahrnehmung, Denken und Fühlen enge Wechselwirkungen bestehen. Falsches Sitzen – etwa ständiges Hocken vor dem Computerbildschirm – führt also unter Umständen dazu, dass man sich insgesamt schlecht fühlt oder krank wird. Die Feldenkrais-Methode schult darin, den Körper wieder richtig zu nutzen und spricht dabei die Lernfähigkeit unseres Nervensystems an.
O-Ton Schulz:
„Lernen ist immer ein Prozess von Versuch und Irrtum. Bei dieser Bewertung, was ein Erfolg und was ein Misserfolg ist, liegt der entscheidende Unterschied. Und bei Feldenkrais findet diese Bewertung in mir statt und ist ein sinnlicher Vorgang. Und ich mache meinen ersten Versuch. Merke, dass fühlt sich nicht so gut an, wird der wahrscheinlich nicht gemeint haben, versuche es etwas anderes, merke: das geht besser, so geht’s leichter."
Sprecherin: Die Bewegungen sind von außen betrachtet meist kaum wahrnehmbar. Man muss schon mitmachen, um zu erfahren, um was es geht. Also: ab auf die Decke. Auf den Rücken legen, die Füße aufstellen, mitmachen.
O-Ton Schulz:
„Variier etwas den Druck deiner Füße. Drück bitte mit der rechten Ferse oder der rechten Fußspitze."
Sprecherin: Und schon spürt die Anfängerin, wie sich Muskeln an völlig anderen Körperstellen mitbewegen - zum Beispiel im Bauch. Obwohl es nicht so aussieht, sind die Feldenkrais-Übungen auch ein bisschen anstrengend. Der Lohn der Mühe: Man wird beweglicher und entdeckt seinen Körper. Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Migräne, Gelenkbeschwerden und Verspannungen können sich dadurch bessern. Auch bei Brustkrebs und Multipler Sklerose soll die Feldenkrais-Methode positive Effekte haben. Die Patienten werden natürlich nicht geheilt, aber sie fühlen sich - trotz Krankheit -vergleichsweise gut, heißt es. Allerdings gibt es bisher kaum seriöse wissenschaftliche Studien, die dies beweisen, so Edzard Ernst, Professor für komplementäre Medizin an der University of Exeter in England. Er hat vor kurzem sechs Studien durchforstet. Sein Befund: Alle Untersuchungen kamen zu positiven Ergebnissen, aber keine einzige war methodisch wirklich gut. Ernst meint daher, dass es interessant wäre, die Feldenkrais-Methode wissenschaftlich exakter zu untersuchen. Ob wissenschaftlich geprüft oder nicht, ist den Kursteilnehmern bei Peter Schulz allerdings gar nicht so wichtig. Für sie zählt die persönliche Erfahrung mit Feldenkrais:
O-Ton Mehl:
„Ich habe Rückenprobleme und mag aber nicht mehr so Sachen machen, wo man sich aktiv bewegen muss. Ich hab das lieber für den Rücken, dass man das ruhiger macht, bewusster wird, und das kann man gut machen bei Feldenkrais.
O-Ton Remmert:
„Ich habe kaputte Knie. Deshalb bin ich hier. Und der Orthopäde sagte, ja, ist kein Problem, wenn es gar nicht mehr geht, spritzen wir was rein und wenn’s dann nicht geht, machen wir neue Knie rein und da hat mir meine Tochter gesagt, geh doch mal. Hab ich gemacht. Hat 20 Jahre funktioniert ohne Operation und ohne Spritze."
Sprecherin: Trotz solcher Erfolge: Es geht nicht darum, bestimmte Leiden zu kurieren.
O-Ton Schulz:
„Wenn das trotzdem passiert, dann weil jemand lernt, anders mit sich umzugehen, damit sich leichter zu gebrauchen und nicht mehr die Symptome zu produzieren, wie er es bislang getan hat. Also, es ist eine Sache von wirklicher Verantwortung für sich und sein Tun zu übernehmen und dies über den eigentlich banalen Ansatz von Motorik."
Sprecherin: Ohne die Mitarbeit des Patienten geht es also nicht. Außerdem braucht man Geduld. Die meisten Feldenkraisjünger machen die Übungen über viele Jahre hinweg – und zwar gerne. Feldenkrais macht süchtig, sagt eine der Kursteilnehmerinnen und meint damit: es tut ihr einfach gut.
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